Archive für Beiträge mit Schlagwort: Psychotherapie

Berlin, 27. November 2013: Wartezeiten für psychisch kranke Menschen von mehr als drei Monaten sind auch einer neuen Bundesregierung zu lang. CDU/CSU und SPD planen, die Versorgung psychisch kranker Menschen auszubauen. „Damit psychisch kranke Men- schen schneller Zugang zur Psychotherapie erhalten, müssen flächendeckend offene Sprechstunden ermöglicht werden für eine Erstuntersuchung und Indikationsstellung“, fordert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Patienten, bei denen ein Behandlungsbedarf festgestellt wird, brauchen in angemessener Frist eine Versorgung. Aus Sicht der BPtK müssen dafür Beratungs- und Therapieangebote erheblich flexibler und bürokratieärmer gestaltet werden. Notwendig sind außerdem der Ausbau von themen- oder krankheitsspezifischer Gruppenpsychotherapie, aber auch die Entwicklung weiterer ergänzender Angebote wie z. B. eine qualitätsgesicherte mediengestützte Selbsthilfe. Zur Differenzierung des psychotherapeutischen Leistungsangebots ge- hört zudem eine Reform der Psychotherapie-Richtlinie, die sicherstellt, dass bei chronisch kranken Menschen erfolgversprechende Psychotherapien nicht mehr abgebrochen werden müssen. Schließlich ist der flächendeckende Aufbau einer vernetzten, multiprofessionellen, ambulanten Versorgung für schwer psychisch kranke Menschen dringend, um ihnen vermeidbare Krankenhauseinweisungen zu ersparen.

Die BPtK kritisiert, dass die Ruck-Zuck-Mentalität der Krankenkassen Eingang in die gesundheitspolitische Agenda der großen Koalition gefunden hat. Schon jetzt sind rund die Hälfte der durchgeführten Psychotherapien Kurzzeittherapien, also Therapien mit maximal 25 Sitzungen. „Pauschale Forderungen der Krankenkassen nach einem Ausbau der Kurzzeittherapie sind deshalb unsinnig. Stets ist zu berücksichtigen, dass Menschen häufig an mehreren psychischen Störungen erkranken oder bei schweren, komplexen oder chroni- schen Krankheitsverläufen deutlich längere Behandlungen benötigen“, so BPtK-Präsident Richter.

Die BPtK fordert schließlich eine nationale Antistigma-Kampagne. Im Rahmen eines Aktionsprogramms „Psychische Gesundheit“ sollten wirksame Präventionsansätze ressortübergreifend zusammengeführt und gestärkt werden. Durch frühzeitige und niedrigschwellige Maßnahmen können psychische Erkrankungen vermieden, die Versorgungssysteme entlastet und Wartezeiten auf eine leitliniengerechte Behandlung deutlich verkürzt werden. 

Quelle: Pressemitteilung Bundespsychotherapeutenkammer 27.11.2013

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Berlin, 26. November 2013: Psychische Erkrankungen bleiben zu häufig unerkannt, auch bei Soldaten. Stigmatisierung und Karrierenachteile führen bei der Bundeswehr dazu, dass Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen häufig nicht erkannt und behan- delt werden. Psychische Erkrankungen sind allerdings gut behandelbar. „Es spricht nichts dagegen, dass ein Soldat, der psychisch krank war, aber erfolgreich behandelt wurde, seinen Dienst weiter fortsetzt – und auch an Auslandseinsätzen teilnimmt“, stellt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Ein Einsatzverbot bei psychischen Vorerkrankungen wäre inakzeptabel. Sonst dürften z. B. Notärzte, die ebenfalls ein erhöhtes Risiko haben, einem traumatischen Erlebnis ausgesetzt zu werden, ihrer Arbeit nicht weiter nachgehen.“

„Es gibt zuverlässige Methoden, psychische Erkrankungen zu erkennen“, erklärt BPtK-Präsident Richter. Soldaten sollten vor Beginn eines Auslandseinsatzes auf das Vorliegen einer akuten und unter Umständen unbehandelten psychischen Erkrankung untersucht wer- den. Hierfür liegen gut validierte Instrumente wie z. B. die CIDI-Screening Skalen (Composite International Diagnostic Interview Screening Scales, CIDI-SC) vor. Erst bei auffälligen Werten muss dann ein klinisch-diagnostisches Gespräch mit einem entsprechenden Facharzt oder Psychotherapeuten erfolgen.

Nach einer aktuellen Studie der Technischen Universität Dresden haben 20 Prozent der Soldaten, die in Auslandseinsätze geschickt werden, psychische Vorbelastungen. Dieser Anteil entspricht dem Anteil von psychisch kranken Männern in der Gesamtbevölkerung. Unerkannt vorbelastete Soldaten, so diese Studie, haben jedoch das vier- bis sechsfache Risiko, mit einer neuen psychischen Erkrankung aus dem Einsatz zurückzukehren. 

Quelle: Bundespsychotherapeutenkammer, Pressemeldung 26.11.2013

 

Berlin, 29. April 2013: Psychisch kranke Patienten müssen nach einer Pressemeldung der Bundespsychotherapeutenkammer immer häufiger auf das Kostenerstattungsverfahren zurückgreifen, weil sie keinen Behandlungsplatz bei einemKassen-Psychotherapeuten finden. Von 2003 bis 2012 haben sich die Ausgaben der Krankenkassen für Kostenerstattungen für Psychotherapie verfünffacht, von knapp acht Millionen Euro auf über 41 Millionen Euro. Allein von 2011 auf 2012 sind sie um 25 Prozent gestiegen.

„Ohne die Behandlungsplätze von Psychotherapeuten in Privatpraxen ist oft eine gesicherte Versorgung von psychisch kranken Menschen nicht mehr möglich“, stellt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fest. „Die künstliche Ver- knappung der zugelassenen Psychotherapeuten in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt für die Patienten weiterhin ein großes Problem. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen kommen ihrem gesetzlichen Auftrag nicht ausreichend nach, eine recht- zeitige Behandlung in der Regelversorgung sicherzustellen.“

Findet ein gesetzlich krankenversicherter Patient keinen Behandlungsplatz bei einem Kassen- Psychotherapeuten, so kann er bei seiner Krankenkasse die Behandlung durch einen nicht an der Kassenversorgung teilnehmenden, aber ebenso qualifizierten Psychotherapeuten beantragen. Voraussetzung ist, dass es sich um eine „unaufschiebbare Leistung“ handelt. „Psychische Erkrankungen erfordern in der Regel solche unaufschiebbaren Leistungen. Ein Patient sollte nicht länger als drei Wochen auf einen ersten Termin beim niedergelassenen Psychotherapeuten warten müssen“, erklärt BPtK-Präsident Richter.

Diese Anträge auf Kostenerstattung gelten nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) als genehmigt, wenn sie nicht innerhalb von höchstens fünf Wochen von der Krankenkasse entschieden werden. Dies stellte das BMG in seiner Antwort auf die schriftli-che Frage der Bundestagsabgeordneten Maria Klein-Schmeink klar. Danach gelten die neu geregelten Fristen auf Leistungen (§ 13 Absatz 3a SGB V) auch für die Regelungen der Kostenerstattung (§ 13 Absatz 3 SGB V).

„Der Gesetzgeber hat hier der Praxis einiger Kassen einen Riegel vorgeschoben“, erläutert Richter. „Seit einiger Zeit berichten Versicherte der BPtK immer wieder, dass ihre Kassen Kostenerstattungsanträge einfach liegen lassen. Zukünftig können Krankenkassen die Be- handlung so nicht mehr verzögern.“ Die Frist beträgt drei Wochen und – soweit Gutachten eingeholt werden – fünf Wochen.

In ihrer Antwort stellt die Bundesregierung ebenfalls klar, dass die tatsächlich entstandenen Kosten der Behandlung nach der Gebührenordnung für Psychotherapeuten zu erstatten sind. Der Erstattungsanspruch ist nicht auf die Höhe der Vergütung in der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt.

 

Berlin, 17. Mai 2013: Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) warnt davor, die di- agnostischen Kriterien für psychische Erkrankungen aufzuweichen. Anlässlich der mor- gen erscheinenden Neufassung des Diagnostik-Handbuchs für psychische Störungen DSM-V in den USA, kritisiert BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter, dass darin Trauer nach dem Verlust einer nahestehenden Person bereits nach zwei Wochen als Krankheit eingestuft werden kann. „Wer intensiv trauert, erfüllt zwar häufig formal die Kriterien ei- ner Depression, ist aber nicht krank“, stellt der BPtK-Präsident fest. „Die meisten Trau- ernden verkraften ohne Behandlung den Verlust einer geliebten Person. Der Schmerz von Trauernden kann durchaus Monate oder über ein Jahr dauern und sollte nicht als be- handlungsbedürftig gelten.“

Die „American Psychiatric Association“ (APA) veröffentlicht am 18. Mai 2013 die fünfte Fassung ihres Handbuchs DSM-V („Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders V“). Das Handbuch wird auch die Neufassung des Klassifikationssystems ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beeinflussen. Im Kapitel V des ICD-10 sind die psy- chischen Erkrankungen beschrieben, aufgrund derer ein Mensch in Deutschland von Ärz- ten und Psychotherapeuten als krank diagnostiziert werden kann. „Für die Entwickler des ICD-11 sind die Kritikpunkte am DSM-V sicherlich wichtige Warnsignale“, sagt BPtK- Präsident Richter.

Auch bei ADHS dürften die WHO-Experten nicht den US-Psychiatern folgen. Zukünftig müssen im DSM-V motorische Unruhe und mangelnde Konzentrationsfähigkeit erstmalig vor dem zwölften Lebensjahr aufgetreten sein. Bisher gilt die Regel, dass diese Sympto- me bereits vor dem siebenten Lebensjahr zu beobachten gewesen sein müssen, damit eine ADHS-Diagnose gestellt werden kann. Mit dem Heraufsetzen des Lebensalters er- höht sich die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen, die eine ADHS-Diagnose erhalten können, erheblich. „Die ADHS-Kriterien sollten jedoch aus- schließen, dass darunter auch Kinder und Jugendliche erfasst werden, die in erster Linie spezifische schulische oder berufliche Probleme haben“, fordert BPtK-Präsident Richter. In Deutschland erhält knapp jeder fünfte Junge zwischen dem siebten und zwölften Le- bensjahr eine ADHS-Diagnose und circa jeder zehnte Junge bekommt im Laufe der Kind- heit und Jugend mindestens einmal Methylphenidat verordnet. „Angesichts dieser Häu- figkeiten ist auch in Deutschland von einer deutlichen Überdiagnostik und pharmakologi- schen Übertherapie bei ADHS auszugehen“, kritisiert BPtK-Präsident Richter.

Schließlich geraten auch Wutausbrüche von Kindern und Jugendlichen in das erweiterte diagnostische Raster des US-Psychiatrie-Handbuchs. „Die neue Diagnose „Disruptive Mood Dysregulation Disorder“ (DMDD) ist ein hilfloser Versuch, eine US-spezifische Überdiagnostik von bipolaren Störungen bei Kindern in den Griff zu bekommen“, erklärt BPtK-Präsident Richter. „Damit wird allerdings der nächsten Diagnose-Epidemie der Weg gebahnt.“ Grundsätzlich sei die Forschung zu überdurchschnittlich häufigen und starken Wutausbrüchen vor allem bei Jungen viel zu dürftig, um damit eine neue diagnostische Kategorie zu begründen. „Dabei ist das Risiko sehr groß, heftige emotionale Reaktionen von Kindern und Jugendlichen in Reifungskrisen als krank abzustempeln. Insbesondere drohen andere Gründe für wiederholte Temperamentsausbrüche wie ungelöste Konflikte mit Eltern, Lehrern oder Gleichaltrigen aus dem Blick zu geraten.“

Sinnvoll erscheint dagegen die Aufnahme des pathologischen Glückspiels als Verhaltens- sucht in das DSM-V. Bisher war krankhaftes Glücksspiel unter den Impulskontrollstörun- gen eingruppiert. Die Mechanismen dieser psychischen Erkrankung sowie deren Behand- lungsverläufe legen jedoch eine Korrektur dieser Einordnung nahe. Insbesondere die massiven Auswirkungen des Glücksspiels, wie z. B. ruinös hohe Schulden, rechtfertigen es, von einer Verhaltenssucht zu sprechen.

Auch wiederholte Heißhungerattacken (Binge-Eating-Störung) können eine psychische Erkrankung sein. Kritisch erscheint aber, dass die Kriterien für Häufigkeit und Dauer der Essanfälle im DSM-V deutlich abgesenkt wurden. Danach soll eine Person bereits dann krank sein, wenn sie drei Monate lang einmal pro Woche die Kontrolle darüber verliert, wie viel sie isst. Bisher lag das diagnostische Kriterium für diese Essstörung bei mindes- tens zwei Anfällen pro Woche über mindestens sechs Monate. Abgesehen von dieser will- kürlichen Festlegung, für die es keine empirische Evidenz gibt, sollten als zusätzliche Kri- terien außerdem die Gewichtszunahme berücksichtigt bzw. diese Diagnose bei nur leich- tem Übergewicht ausdrücklich ausgeschlossen werden.

 

 

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Pressemitteilung der  Bundespsychotherapeutenkammer:
Psychische Krankheiten sind alltäglich

Berlin, 12. April 2013: Psychische Krankheiten gehören zu den Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts. In Deutschland erkrankt mehr als jeder Vierte innerhalb eines Jahres an einem seelischen Leiden. Evidenzbasierte Leitlinien empfehlen bei nahezu allen psychischen Erkrankungen Psychotherapie als wirksame und kosteneffektive Behandlungsmethode. Da- bei geben die Leitlinien in vielen Fällen der Psychotherapie den Vorzug vor Psychopharmaka. Obwohl auch die meisten Patienten Psychotherapie einer medikamentösen Behandlung vor- ziehen, wird Psychotherapie in der Versorgung noch zu selten genutzt. Ein wesentlicher Grund hierfür sind die unzureichenden Behandlungskapazitäten in der ambulanten psycho- therapeutischen Versorgung. Stattdessen werden zu häufig Psychopharmaka verordnet. „Bundesweit fehlen auch nach der jüngsten Reform der Bedarfsplanung noch mindestens 3.000 psychotherapeutische Praxen. Darüber hinaus müssen dringend die Möglichkeiten der psychotherapeutischen Akutversorgung verbessert und gruppenpsychotherapeutische Be- handlungsangebote ausgebaut werden“, stellt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bun- despsychotherapeutenkammer (BPtK), anlässlich der Herausgabe des BPtK-Standpunkts „10 Tatsachen zur Psychotherapie“ fest.

Psychotherapie ist wirksam. Dieser Nachweis wurde bei nahezu allen psychischen Erkran- kungen in vielen randomisierten und kontrollierten Studien erbracht. Die Erfolgs- und Besse- rungsraten psychotherapeutischer Behandlungen liegen dabei höher als die vieler Behand- lungsmethoden bei körperlichen Erkrankungen. Patienten brechen außerdem eine psycho- therapeutische Behandlung deutlich seltener ab als eine medikamentöse. Ferner hat eine psychotherapeutische Versorgung im Vergleich zur Pharmakotherapie nachhaltigere Effekte, die über das Therapieende hinaus anhalten.

Die Akzeptanz der Psychotherapie hat in der Bevölkerung deutlich zugenommen. Aber psy- chisch kranke Menschen werden nach wie vor stigmatisiert. Die soziale Ablehnung von de- pressiven Menschen ist seit Jahrzehnten nahezu unverändert. Schizophren erkrankte Men- schen werden im Vergleich zu früheren Jahrzehnten sogar noch stärker als „gefährlich“ stig- matisiert.

Patienten nehmen eine ambulante psychotherapeutische Behandlung in Anspruch, weil sie unter gravierenden psychischen Beschwerden und Beeinträchtigungen leiden. Darüber hin- aus leiden psychisch kranke Menschen deutlich häufiger an körperlichen Erkrankungen als die Normalbevölkerung.

Psychisch kranke Menschen erhalten zu spät oder gar keine Behandlung. Sie warten in Deutschland durchschnittlich 12,5 Wochen auf ein erstes Gespräch beim niedergelassenen Psychotherapeuten. Noch länger sind die Wartezeiten in ländlichen Kreisen (14,5 Wochen) und im Ruhrgebiet (17,0 Wochen). Durch die langen Wartezeiten verschlimmern sich psychi- sche Erkrankungen, chronifizieren oder kehren wieder. Manchmal geben Patienten die Suche auf und bleiben ohne Behandlung, viele Patienten werden einseitig medikamentös versorgt. Immer mehr gesetzlich Versicherte nutzen die Kostenerstattung und suchen eine private psy- chotherapeutische Praxis auf. In dringenden Fällen wenden sich psychisch kranke Menschen an psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser.

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Psychotherapie spart mehr Ausgaben, als sie selbst verursacht. Die Ausgaben für ambulante Psychotherapie betrugen 2010 1,5 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von sechs Prozent an den gesamten Honorarausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für die ver- tragsärztliche Versorgung. Diese geben damit mehr für Krankengeld aufgrund psychischer Erkrankungen (zwei Milliarden Euro) aus als für ambulante Psychotherapie. Die Ausgaben für Psychopharmaka lagen 2010 mit 2,6 Milliarden Euro (8,7 Prozent aller GKV-Fertigarzneimit- telausgaben) ebenfalls deutlich über den Ausgaben für ambulante Psychotherapie. Ebenso darüber lagen die Kosten stationärer Behandlungen für psychisch kranke Menschen, die auf 4,6 Milliarden Euro geschätzt werden.

Aufgrund psychischer Erkrankungen entstehen erhebliche Kosten, insbesondere durch Ar- beitsunfähigkeit und Frühberentungen. Die Bundesregierung schätzt, dass im Jahr 2008 ein Produktionsausfall von 26 Milliarden Euro und ein Ausfall an Bruttowertschöpfung von 45 Milliarden Euro und 18 Prozent aller verlorenen Erwerbsjahre auf psychische Erkrankun- gen zurückgingen. Damit stehen die psychischen Erkrankungen nach den Verletzungen und Vergiftungen bereits an zweiter Stelle der Ursachen für verlorene Erwerbsjahre. Für jeden Euro, der in Psychotherapie investiert wird, können Einsparungen von zwei bis drei Euro er- reicht werden.

Psychotherapeuten behandeln so lange wie notwendig. Etwa die Hälfte der ambulanten Psy- chotherapien sind Kurzzeittherapien von bis zu 25 Sitzungen je 50 Minuten. Zwischen zwei Drittel und drei Viertel der genehmigten Stundenkontingente werden von den Psychothera- peuten ausgeschöpft. Durchschnittlich 40 bis 45 Sitzungen werden dabei auf zwei Jahre ver- teilt. In vielen Fällen verbessern sich die Krankheitssymptome bereits mit einer Kurzzeitthe- rapie deutlich. Komplexe Formen psychischer Erkrankungen oder chronische psychische Er- krankungen erfordern jedoch in der Regel längere Therapien. Beispielsweise sind bei der Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen längere Behandlungen notwendig, als die Krankenkassen im Regelfall bezahlen. Internationale Leitlinien empfehlen hier ausdrück- lich, keine Behandlungen mit kürzerer Dauer anzubieten.

Psychotherapeuten erfüllen ihre Versorgungsaufträge, so gut es ihnen angesichts der engen Vorgaben der Krankenkassen möglich ist. Niedergelassene Psychotherapeuten arbeiten durchschnittlich 36 bis 43 Stunden in der Woche, die Kassenärztliche Bundesvereinigung geht sogar von durchschnittlich 47 Wochenstunden aus (Arbeitszeit). Davon erbringen sie 25 bis 31 Stunden in direktem Kontakt mit ihren Patienten (Patientenzeit). Mindestens ein Drit- tel der Arbeitszeit ist für weitere Aufgaben und Verpflichtungen, wie Dokumentation, Anträge, Abrechnungen und Praxismanagement, erforderlich.

Psychotherapie ist ein attraktives Berufsfeld. Jährlich schließen mehr Psychotherapeuten ihre Ausbildung ab, als ältere Psychotherapeuten in Ruhestand gehen. Frei werdende Praxissitze können auch in ländlichen Regionen innerhalb kurzer Zeit besetzt werden.

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BDP-Pressemitteilung

vom 21.12.2012 (at)

 

 

Quelle: Berufsverband Deutscher

Psychologinnen
und Psychologen
Am Köllnischen Park 2 10179 Berlin

Telefon +4930-209166-620 Telefax +4930-209166-680

E-Mail presse@bdp-verband.de

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Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen kritisiert die gerade verabschiedete Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). „Mit dieser Regelung werden psychisch Kranke allein gelassen“, bringt BDP-Vizepräsident Heinrich Bertram die Konsequenzen auf den Punkt und fordert das Bundesgesundheitsministerium auf, dagegen Einspruch anzumelden. „Es kann nicht sein, dass von der Kassenärztlichen Vereinigungen im Oktober mehr Psychotherapeutensitze versprochen wird, andererseits nun aber 6000 Sitze wegfallen sollen. Ich fordere die Politik auf, hier einzugreifen.“

Der BDP kritisiert seit langem, dass die Bedarfsplanungsrichtlinie auf alten Zahlen von 1999 und nicht auf den tatsächlichen Behandlerzahlen beruht. Selbst der Status Quo 2012 ist nicht ausreichend. Die Auswirkung spüren vor allem die Patienten. Heute wartet ein Patient in einer ländlichen Region durchschnittlich bereits 14,5 Wochen auf ein erstes Gespräch mit einem niedergelassenen Psychotherapeuten. Die Zahl in Ballungsgebieten beträgt 12,5 Wochen und würde mit der neuen Richtlinie wohl dieselbe wie auf dem Lande werden.

Aufgrund der erwiesenen Wirksamkeit von Psychotherapie und der großen Bedeutung psychischer Erkrankungen – ökonomisch und für die Lebensqualität – ist eine Verbesserung der Versorgungsplanung dringend notwendig.

Der BDP-Bericht 2012 „Die großen Volkskrankheiten“ steht kostenlos zum Download zur Verfügung:

http://www.bdp-verband.de/aktuell/2012/bericht/ 

Die stiftung Warentest hat die Ergebnisse einer großen Umfrage über den Nutzen von Psychologischer Behandlung und Psychotherapie veröffentlicht.
Fazit: Psychotherapie kann helfen!
Link zur Website von stiftung Warentest: http://www.test.de/themen/gesundheit-kosmetik/test/Psychotherapie-Welche-Therapie-hilft-4294275-4294303

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 26/11
20. November 2011

PiA wollen nicht länger vertröstet werden

Psychotherapeuten in Ausbildung kündigen erstmals Streiks in Deutschland an

Zum ersten Mal haben jetzt Psychologische Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) Streiks in Deutschland angekündigt. Die ersten Aktionen sind für Berlin, Frankfurt/Main und Hannover geplant. Es ist ein Aufschrei einer ganzen Generation künftiger Psychotherapeuten, die seit Jahren mit schwer erträglichen Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen leben müssen. Diplom-Psychologen, die diese Ausbildung absolvieren, zahlen dafür zwischen 30.000 und 50.000 Euro; sie leisten zudem eine Praktische Tätigkeit in einer Klinik, die in der Regel nicht bezahlt wird. Was als Ausbildung am Patienten konzipiert war, ist in der Praxis oft die Ausbeutung von Diplom-Psychologen ohne Bezahlung durch Kliniken, oft bleiben fachliche Betreuung und Supervision auf der Strecke.
„Die PiA verdienen in dieser Situation unsere Solidarität“, so Eva Schweitzer-Köhn, Vorsitzende des VPP im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Möge es ihnen gelingen, diese andauernde Misere durch ihre Aktionen einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen und dem Gesetzgeber so wie allen anderen Beteiligten zu signalisieren, dass das Maß voll ist und die Betroffenen sich nicht länger vertrösten lassen wollen. Wir sind an ihrer Seite, wenn es darum geht die Fehlkonstruktion im Psychotherapeutengesetz durch eine Lösung zu ersetzen, die ihre Qualifikation aus Psychologin/Psychologe anerkennt und ihnen eine angemessene Bezahlung für praktisch geleistete qualifizierte und sehr verantwortungsvolle Arbeit garantiert.
Die Delegiertenkonferenz des Verbandes, die am 19. und 20. November in Fulda tagte, hat sich einmütig hinter die Forderungen der PiA gestellt, die im Übrigen auch von der zuständigen Fachkommission bei ver.di mitgetragen werden. „Das Thema geht uns alle an“, so BDP-Vizepräsident Bertram: „Psychologen und Psychotherapeuten in unserem Verband“. Wenn Kliniken PiA missbrauchen, um Stellen von Diplom-Psychologen streichen zu können, wenn hochqualifizierte Arbeitskräfte für Null verantwortungsvolle Tätigkeit leisten müssen, dann betrifft das beide Berufsgruppen, deren Interessen der BDP vertritt, und es betrifft die psychologische und psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung in den kommenden Jahren.“ Der jüngste Protesttag der PiA in Berlin und die aktuellen Ankündigungen machten deutlich, dass es nicht einzelne Funktionäre aus Verbänden und Kammern sind, die sich mit dem PiA-Thema profilieren wollen, sondern dass die Betroffenen von Vertröstungen auf künftige mögliche Novellierungen der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung endgültig genug haben. „Die Zeit der ‚Proteste auf dem Dienstweg‘ scheint endgültig vorbei zu sein.“ Dass PiA mit eventuellen Streiks auch riskieren, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, zeige nur das Ausmaß der Demütigung und Verzweiflung bei vielen.

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Christa Schaffmann, Pressesprecherin
Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin
Tel. 030 – 209 166 620
c.schaffmann@bdp-verband.de

Kurze Info: Wenn Menschen psychisch erkranken, sind ihre Angehörigen automatisch mit betroffen.
Was das für Kinder bedeutet, deren Vater oder Mutter psychisch krank ist, beleuchtet dieser Beitrag im NDR-Fernsehen heute um 21.15 – 21.45.

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 23/11
2. November 2011

Umfrage der Stiftung Warentest liefert Argumente für eine bessere psychotherapeutische Versorgung

Laut Umfrage der Stiftung Warentest unter 4.000 Menschen mit seelischen Problemen sehen knapp 80 Prozent der Befragten in Psychotherapie eine große Hilfe. Bezeichneten zu Beginn der Therapie noch 77 Prozent ihr Leiden als „sehr groß“ oder „groß“, so waren es nach Abschluss der Behandlung nur noch 13 Prozent. Die Arbeitsfähigkeit wurde verbessert (53 Prozent), das Selbstwertgefühl wuchs (63 Prozent), und 61 Prozent der Befragten fiel der Umgang mit dem alltäglichen Stress nach der Behandlung leichter.

Besorgniserregend ist aus Sicht des BDP ein anderes Ergebnis der Umfrage: Knapp zwei Drittel der Teilnehmer versuchten mindestens ein Jahr lang, allein mit den Problemen fertig zu werden, bevor sie einen Psychotherapeuten konsultierten. „Addiert man die in dieser Umfrage erneut bestätigten Wartezeiten von drei Monaten auf einen Therapieplatz hinzu, so setzt die Behandlung erst sehr spät ein und kann dadurch auch schwieriger und langwieriger werden“, stellt Eva Schweitzer-Köhn vom Verband Psychologischer Psychotherapeuten im BDP fest. Diese Lage drohe sich durch das geplante Versorgungsstrukturgesetz, das den Abbau von bis zu 2.000 psychotherapeutischen Praxen vorsieht, ab dem kommenden Jahr noch zu verschlimmern. Stiftung Warentest empfiehlt bei langen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz das Kostenerstattungsverfahren nach § 13,3 SGB V. Danach sind die Krankenkassen verpflichtet, eine notwendige Behandlung auch bei einem approbierten Psychotherapeuten ohne Kassensitz zu finanzieren, vorausgesetzt, es gibt rechtzeitig keinen Therapieplatz in zumutbarer Entfernung bei einem Vertragsbehandler. Dafür setze sich der VPP im BDP schon seit langem ein.

83 Prozent der Befragten lobten die Arbeitsweise ihrer Therapeuten und ihr beruhigendes unterstützendes Verhalten. Auch Aufgeschlossenheit gegenüber Fragen und Kritik sowie Gründlichkeit bei der Problemlösung wurde der großen Mehrheit der Psychotherapeuten bescheinigt. Die Stiftung Warentest sieht nach Auswertung der Umfrage in der Bereitschaft des Patienten zum Mitmachen und in der guten Beziehung zum Therapeuten die ausschlaggebenden Faktoren für das Gelingen einer Therapie. „Wir begrüßen diese Aussage ganz besonders, bestätigt sie doch Erfahrungen in Wissenschaft und Praxis, wonach die Passung sowohl von Therapieverfahren und Personen als auch zwischen Patienten und Therapeuten eine Schlüsselrolle spielt“, betont Schweitzer-Köhn.

Depressionen und Ängste stehen mit 79 bzw. 64 Prozent laut Umfrage an Spitze der psychischen Erkrankungen. Unabhängig von der Schwere entschieden sich 83 Prozent der Betroffenen für eine ambulante Therapie. Noch wüssten offenbar trotz diverser Angebote, z.B. durch den Psychotherapieinformationsdienst des BDP (www.psychotherapiesuche.de), die KBV oder die Kammern viele Patienten nicht, wo sie sich gut beraten lassen und einen Psychotherapeuten finden können. Das Gleiche gelte für einen möglichen Misserfolg der Therapie, der noch bei zu vielen Patientinnen und Patienten im Abbruch münde statt in der Suche nach geeigneten Alternativen.

Die Umfrage der Stiftung Warentest bestätigt Einschätzungen des VPP im BDP ebenso wie eine Langzeitstudie der Techniker Krankenkasse vom Juni dieses Jahres, in der zudem die nachhaltige Wirkung von Psychotherapie betont wurde. Die Kosten-Nutzen-Relation beschrieb die TK seinerzeit so: Jeder Euro, der in Psychotherapie investiert wird, führt an anderer Stelle zu einer Einsparung von zwei bis vier Euro. Dem sei nichts hinzuzufügen, meint Eva Schweitzer-Köhn, außer dem Appell an alle Abgeordneten des Bundestages, sich mit diesen Tatsachen vertraut zu machen, bevor sie womöglich einem Gesetzentwurf zustimmen, der die psychotherapeutische Versorgung dramatisch verschlechtert.

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Christa Schaffmann, Pressesprecherin
Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin
Tel. 030 – 209 166 620
c.schaffmann@bdp-verband.de