Kurze Info: Wenn Menschen psychisch erkranken, sind ihre Angehörigen automatisch mit betroffen.
Was das für Kinder bedeutet, deren Vater oder Mutter psychisch krank ist, beleuchtet dieser Beitrag im NDR-Fernsehen heute um 21.15 – 21.45.
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 23/11
2. November 2011
Umfrage der Stiftung Warentest liefert Argumente für eine bessere psychotherapeutische Versorgung
Laut Umfrage der Stiftung Warentest unter 4.000 Menschen mit seelischen Problemen sehen knapp 80 Prozent der Befragten in Psychotherapie eine große Hilfe. Bezeichneten zu Beginn der Therapie noch 77 Prozent ihr Leiden als „sehr groß“ oder „groß“, so waren es nach Abschluss der Behandlung nur noch 13 Prozent. Die Arbeitsfähigkeit wurde verbessert (53 Prozent), das Selbstwertgefühl wuchs (63 Prozent), und 61 Prozent der Befragten fiel der Umgang mit dem alltäglichen Stress nach der Behandlung leichter.
Besorgniserregend ist aus Sicht des BDP ein anderes Ergebnis der Umfrage: Knapp zwei Drittel der Teilnehmer versuchten mindestens ein Jahr lang, allein mit den Problemen fertig zu werden, bevor sie einen Psychotherapeuten konsultierten. „Addiert man die in dieser Umfrage erneut bestätigten Wartezeiten von drei Monaten auf einen Therapieplatz hinzu, so setzt die Behandlung erst sehr spät ein und kann dadurch auch schwieriger und langwieriger werden“, stellt Eva Schweitzer-Köhn vom Verband Psychologischer Psychotherapeuten im BDP fest. Diese Lage drohe sich durch das geplante Versorgungsstrukturgesetz, das den Abbau von bis zu 2.000 psychotherapeutischen Praxen vorsieht, ab dem kommenden Jahr noch zu verschlimmern. Stiftung Warentest empfiehlt bei langen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz das Kostenerstattungsverfahren nach § 13,3 SGB V. Danach sind die Krankenkassen verpflichtet, eine notwendige Behandlung auch bei einem approbierten Psychotherapeuten ohne Kassensitz zu finanzieren, vorausgesetzt, es gibt rechtzeitig keinen Therapieplatz in zumutbarer Entfernung bei einem Vertragsbehandler. Dafür setze sich der VPP im BDP schon seit langem ein.
83 Prozent der Befragten lobten die Arbeitsweise ihrer Therapeuten und ihr beruhigendes unterstützendes Verhalten. Auch Aufgeschlossenheit gegenüber Fragen und Kritik sowie Gründlichkeit bei der Problemlösung wurde der großen Mehrheit der Psychotherapeuten bescheinigt. Die Stiftung Warentest sieht nach Auswertung der Umfrage in der Bereitschaft des Patienten zum Mitmachen und in der guten Beziehung zum Therapeuten die ausschlaggebenden Faktoren für das Gelingen einer Therapie. „Wir begrüßen diese Aussage ganz besonders, bestätigt sie doch Erfahrungen in Wissenschaft und Praxis, wonach die Passung sowohl von Therapieverfahren und Personen als auch zwischen Patienten und Therapeuten eine Schlüsselrolle spielt“, betont Schweitzer-Köhn.
Depressionen und Ängste stehen mit 79 bzw. 64 Prozent laut Umfrage an Spitze der psychischen Erkrankungen. Unabhängig von der Schwere entschieden sich 83 Prozent der Betroffenen für eine ambulante Therapie. Noch wüssten offenbar trotz diverser Angebote, z.B. durch den Psychotherapieinformationsdienst des BDP (www.psychotherapiesuche.de), die KBV oder die Kammern viele Patienten nicht, wo sie sich gut beraten lassen und einen Psychotherapeuten finden können. Das Gleiche gelte für einen möglichen Misserfolg der Therapie, der noch bei zu vielen Patientinnen und Patienten im Abbruch münde statt in der Suche nach geeigneten Alternativen.
Die Umfrage der Stiftung Warentest bestätigt Einschätzungen des VPP im BDP ebenso wie eine Langzeitstudie der Techniker Krankenkasse vom Juni dieses Jahres, in der zudem die nachhaltige Wirkung von Psychotherapie betont wurde. Die Kosten-Nutzen-Relation beschrieb die TK seinerzeit so: Jeder Euro, der in Psychotherapie investiert wird, führt an anderer Stelle zu einer Einsparung von zwei bis vier Euro. Dem sei nichts hinzuzufügen, meint Eva Schweitzer-Köhn, außer dem Appell an alle Abgeordneten des Bundestages, sich mit diesen Tatsachen vertraut zu machen, bevor sie womöglich einem Gesetzentwurf zustimmen, der die psychotherapeutische Versorgung dramatisch verschlechtert.
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Christa Schaffmann, Pressesprecherin
Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin
Tel. 030 – 209 166 620
c.schaffmann@bdp-verband.de
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 18/11
7. Oktober 2011
Endlich die richtigen Konsequenzen ziehen
Psychologen fordern politische Schritte angesichts der jüngsten europaweiten Erhebung zu psychischen und neurologischen Erkrankungen
Nach Abschluss der Neubewertung der Größenordnung psychischer und neurologischer Erkrankungen und ihrer Kosten in allen europäischen Ländern sollte aus Sicht des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) Handlungsbedarf auf verschiedenen politischen Feldern endlich für jedermann erkennbar sein. Wenn 38 Prozent der EU-Bevölkerung in allen Altersstufen in jedem Jahr von klinisch bedeutsamen psychischen und/oder neurologischen Erkrankungen betroffen sind, dann zeigt das nach den Worten von BDP-Präsidentin Sabine Siegl auf der einen Seite, das dies die größte gesundheitsbezogene Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist. Zum anderen mache es deutlich, dass psychische Erkrankungen genauso zum Leben gehören wie körperliche. „Niemand kommt auf die Idee anzuzweifeln, dass wie im Bundesgesundheitssurvey gezeigt 60 bis 70 Prozent aller Erwachsenen Deutschen einmal im Jahr ein physisches Leiden haben, bei psychischen Erkrankungen wird aber von verschiedenen Seiten sofort gefragt, ob das jetzt Mode werde oder gar, ob solche Diagnosen der Arbeitsbeschaffung für Psychotherapeuten dienten. Das ist haarsträubend.“
Der BDP sieht in den veröffentlichen Daten, die in großen Bevölkerungsstudien erhoben wurden, bei denen verlässliche Instrumente wie z.B. umfangreiche diagnostische Interviews eingesetzt wurden, die Bestätigung für bereits in der Vergangenheit durch den Verband getroffene Einschätzungen. „Hier wurden keine Befindlichkeitsmessungen vorgenommen, sondern epidemiologische Studien ausgewertet, die standardisierte Diagnosen im Sinne der international anerkannten diagnostischen Kriterien verwendet haben“, betont auch Prof. Dr. Frank Jacobi (Psychologische Hochschule Berlin des BDP und Technische Universität Dresden).
Jacobi, der mit Studienleiter Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen (TU Dresden) das Forschungsprojekt koordinierte, sieht in den Zahlen auch positive Aspekte wie z.B. den Rückgang von Fehlversorgung in der Vergangenheit. „Heute werden Leute wegen psychischer Störungen krankgeschrieben, bei denen man vor 20 Jahren irrtümlich noch ganz andere Diagnosen gestellt hätte.“ Ärzte erkennen psychische Störungen s.E. heute besser, wenngleich die Anteile des psychischen Bereichs in der klinischen Ausbildung noch immer zu gering seien.
Alarmierend ist nach Auffassung des BDP, dass laut Studie trotz entsprechender Diagnosen nur ein Drittel der Betroffenen überhaupt wegen psychischer Beschwerden in Kontakt mit dem Gesundheitssystem steht und davon wiederum nur ein kleiner Teil auch fachgerecht versorgt wird. „Wenn Leute mal für vier Wochen Antidepressiva nehmen oder eine Psychotherapie mit weniger als sechs Sitzungen absolvieren, dann ist das keine adäquate Behandlung und widerspricht nationalen und internationalen Behandlungsleitlinien“, erklärt Frank Jacobi.
Was in dieser Situation von der Politik initiiert wird – man denke nur an das Versorgungsgesetz – geht nach Jacobis Worten klar an den Erfordernissen vorbei. Das betreffe insbesondere die sogenannte Bedarfsabschätzung, die völlig ignoriere, dass der Bedarf in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen ist. „So entstehen diese unhaltbaren Wartezeiten“, beklagt der Wissenschaftler. Vorausschauende Planung, die die Bezeichnung verdient, müsse zudem die Zunahme von neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und anderen einbeziehen, die sich aus der steigenden Lebenserwartung und dem wachsenden Anteil alter Menschen an der Bevölkerung ergibt.
Das Update früherer Studien wurde unter Führung des European Brain Council jetzt vorgenommen in der festen Überzeugung, dass europaweit Handlungsbedarf besteht. „Dafür braucht die Politik verlässliche Zahlen, und die haben wir geliefert“, sagt Frank Jacobi. „Wir brauchen dringend sowohl eine Aufstockung bei der Versorgung psychisch Kranker mit Psychotherapie als auch eine Flexibilisierung der bereits vorhandenen Ressourcen an manchen Stellen.“ Es müsse Patienten leichter gemacht werden, Psychotherapie zu nutzen.
Unterstützung bei der Überzeugungsarbeit verspricht sich BDP-Präsidentin Sabine Siegl von den eindrucksvollen Zahlen, die zusammen mit der Studie präsentiert wurden. Danach betragen die Kosten für psychische Erkrankungen in Europa 800 Mrd. Euro (das entspricht den Kosten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes zusammen). Es handelt sich dabei in hohem Maße um indirekte Kosten, weil diese Störungen eher Beeinträchtigungen und Produktivitätsverlust verursachen. „Wer da noch immer meint, Praxen schließen und die Investitionen für Gesundheitsforschung auf psychischem Gebiet niedrig halten zu müssen, agiert lebensfremd und menschenfeindlich.“
Die Originalpublikationen sowie weitere Materialien zur Studie finden sich unter:
http://www.psychologie.tu-dresden.de/i2/klinische/sizeandburden.html
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 16/11
18. August 2011
Zahlentrickserei zu Lasten der Patienten
BDP sieht sich in seiner Kritik an der Bedarfsplanung durch Grünen-Abgeordnete bestätigt
Wiederholt haben der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und der Verband Psychologischer Psychotherapeuten im BDP darauf hingewiesen, dass die angebliche Überversorgung mit Psychotherapeuten nicht auf tatsächlichen Bedarfen basiert. Nun hat das Büro der grünen Bundestagsabgeordneten Biggi Bender in dieser Sache psychotherapeutische Kammern und Verbände angeschrieben und diese Darstellung bestätigt. Die Abgeordnete hatte in Ergänzung einer Kleinen Anfrage Daten nachgefragt zur Versorgungssituation in den 10 Planbereichen mit den niedrigsten Versorgungsgraden bzw. der niedrigsten Arzt/Einwohner-Relation im Bereich Psychotherapie.
Wie vermutet zeigt sich, dass tatsächlicher und rechnerischer Versorgungsgrad in den Gebieten mit der geringsten Relation Psychotherapeuten/Bewohner klar auseinander klaffen. Dort ist trotz tatsächlicher Versorgungsprobleme keine Niederlassung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten möglich, da die Bedarfsplanung bei dieser Berufsgruppe eine andere Bezugsgröße – den rechnerischen Versorgungsgrad – wählt und hierdurch „Überversorgung“ konstruiert wird.
Dies treffe z.B. auf den Planungsbereich mit der geringsten tatsächlichen Relation von Psychotherapeuten/100.000 Bewohner – Anhalt-Zerbst – zu. Die tatsächliche Versorgung von 3,0 Psychotherapeuten/100.000 Bewohner werde – ohne zusätzliche Psychotherapeut – zu einer rechnerischen Versorgung von 5,9, heißt es in dem Schreiben aus dem Büro Biggi Benders. „Durch § 101 Abs. 4 Satz 6 SGB V wird aus einem tatsächlichen Versorgungsgrad von 68,5 % ein rechnerischer Versorgungsgrad von 137,1 %. Aus einer äußerst problematischen Versorgungssituation wird rechnerisch eine Überversorgung – ein unhaltbarer Zustand, den wir Grünen bei den Debatte um das Versorgungsgesetz aufgreifen werden.“
Ansprechpartner:
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Christa Schaffmann, Pressesprecherin
Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin
Tel. 030 – 209 166 620
c.schaffmann@bdp-verband.de
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 16/11
18. August 2011
Zahlentrickserei zu Lasten der Patienten
BDP sieht sich in seiner Kritik an der Bedarfsplanung durch Grünen-Abgeordnete bestätigt
Wiederholt haben der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und der Verband Psychologischer Psychotherapeuten im BDP darauf hingewiesen, dass die angebliche Überversorgung mit Psychotherapeuten nicht auf tatsächlichen Bedarfen basiert. Nun hat das Büro der grünen Bundestagsabgeordneten Biggi Bender in dieser Sache psychotherapeutische Kammern und Verbände angeschrieben und diese Darstellung bestätigt. Die Abgeordnete hatte in Ergänzung einer Kleinen Anfrage Daten nachgefragt zur Versorgungssituation in den 10 Planbereichen mit den niedrigsten Versorgungsgraden bzw. der niedrigsten Arzt/Einwohner-Relation im Bereich Psychotherapie.
Wie vermutet zeigt sich, dass tatsächlicher und rechnerischer Versorgungsgrad in den Gebieten mit der geringsten Relation Psychotherapeuten/Bewohner klar auseinander klaffen. Dort ist trotz tatsächlicher Versorgungsprobleme keine Niederlassung von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten möglich, da die Bedarfsplanung bei dieser Berufsgruppe eine andere Bezugsgröße – den rechnerischen Versorgungsgrad – wählt und hierdurch „Überversorgung“ konstruiert wird.
Dies treffe z.B. auf den Planungsbereich mit der geringsten tatsächlichen Relation von Psychotherapeuten/100.000 Bewohner – Anhalt-Zerbst – zu. Die tatsächliche Versorgung von 3,0 Psychotherapeuten/100.000 Bewohner werde – ohne zusätzliche Psychotherapeut – zu einer rechnerischen Versorgung von 5,9, heißt es in dem Schreiben aus dem Büro Biggi Benders. „Durch § 101 Abs. 4 Satz 6 SGB V wird aus einem tatsächlichen Versorgungsgrad von 68,5 % ein rechnerischer Versorgungsgrad von 137,1 %. Aus einer äußerst problematischen Versorgungssituation wird rechnerisch eine Überversorgung – ein unhaltbarer Zustand, den wir Grünen bei den Debatte um das Versorgungsgesetz aufgreifen werden.“
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Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 15/11
11. August 2011
Politik sollte aufhorchen
In den Aktionen von Jugendlichen in London und anderen Städten Großbritanniens sieht der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen keine singulären Ereignisse, auf die deutsche Politiker unbeeindruckt aus der Ferne schauen könnten. „Die vorausgegangenen Proteste in Frankreich und Spanien zeigten ein riesiges Potenzial von sozialer Unzufriedenheit, so BDP-Präsidentin Sabine Siegl. Die Politik müsse aufhorchen, statt mit Hinweis auf die gute Lehrstellensituation in Deutschland die Bedeutung solcher Unruhen für die Bundesrepublik herunterzuspielen.
Soziale Brennpunkte und Perspektivlosigkeit aufgrund mangelnder Integration, schlechter oder gar keiner Schulabschlüsse gebe es auch in Deutschland von Berlin-Neukölln bis Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg, so Siegl. Offen sei nur, wann und in welcher Stärke diese sozialen Zeitbomben explodieren.
Der Verrohung unter Jugendlichen habe die Politik derzeit nichts entgegenzusetzen, ergänzt der schwerpunktmäßig mit Jugendlichen arbeitende ehemalige BDP-Vizepräsident Laszlo Pota. Bei vielen Jugendlichen wirke sich auch die fehlende Familiensozialisation sehr negativ aus. Konflikte, die eigentlich in Familien angesprochen, ausgetragen und gelöst werden sollten, verlagerten sich so nach draußen. Insbesondere pubertierende Jugendliche nähmen sie mit in virtuelle Welten oder auf die Straße und lebten dort Brutalität aus. Zwar sprechen die Zahlen der Kriminalstatistiker für einen Rückgang der Gewalttaten in Deutschland, doch würden die Täter immer jünger und brutaler, indem sie unreflektiert Handlungen aus der virtuellen Welt übernehmen.
Statt geförderter Familiensozialisation, Ganztagsschulen und einer integrierenden Verbände- und Jugendpolitik, komme es an vielen Orten zu sozialen Einsparungen, werde Förderung abgebaut. Reagiert werde von Seiten der Politik vor allem mit Härte. Darauf deuten auch Äußerungen aus Großbritannien schon wieder hin, in denen von organisierter Kriminalität der Jugendlichen die Rede war, weil diese sich über Handy und soziale Netzwerke verabredet hätten. Statt soziologische Forschung zu betreiben, Ursachen für Massenproteste genau zu untersuchen, betreibe man eine Kriminalisierung von Jugendlichen.
Der Verband appelliert an die Parteien, die Ereignisse in anderen europäischen Ländern ernst zu nehmen und zu handeln, damit junge Menschen bessere Chancen haben, in der Gesellschaft erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. „Sie sollten damit nicht warten, bis bei uns nicht nur Autos, sondern ganze Straßenzüge brennen.“
Ansprechpartner:
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Christa Schaffmann, Pressesprecherin
Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin
Tel. 030 – 209 166 620
c.schaffmann@bdp-verband.de
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Pressemitteilung Nr. 17/11
25. August 2011
Härtere Strafen lösen Probleme nicht
Psychologen fordern mehr Prävention und einen kritischen Blick auf unsere Gesellschaft
Nach den Unruhen in London und anderen Städten reagierte die britische Regierung mit Härte. Politik und Justiz setzen auf die abschreckende Wirkung rasch verhängter unverhältnismäßig langer Haftstrafen. Juristen kritisieren bereits die Unverhältnismäßigkeit der Strafen in einigen Fällen und sehen eine Welle von Berufungsverfahren auf die britische Justiz zukommen. Auch der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) warnt vor der durchaus nicht auf britische Bürger beschränkten Illusion, der Jugendgewalt durch härtere Bestrafungen Herr zu werden.
Fälle, in denen Jugendliche exzessiv gegen Menschen und Sachen vorgehen – einer davon wird gerade in Berlin vier Monate nach der Tat auf einem U-Bahnhof, begleitet von großer Medienaufmerksamkeit verhandelt – rufen jedes Mal Befürworter härterer Strafen auf den Plan und mobilisieren Kritiker einer angeblichen Kuschelpädagogik.
Bei dem Ruf nach härterer Bestrafung wird völlig übersehen, dass frühe Strafmündigkeit und harte Strafen dort, wo sie seit Jahren praktiziert werden, zu keinem Erfolg geführt haben. Nun ist in Großbritannien, wo Kinder bereits mit 10 Jahren strafmündig sind, die Gewalt besonders eskaliert. „Wer sich durch zehn Jahre Haftstrafe nicht abschrecken lässt, den beeindrucken auch 15 Jahre nicht“, so Dr. Anja Kannegießer, Vorstandsmitglied der Sektion Rechtspsychologie im BDP.
Sicher sei dagegen, dass präventive Maßnahmen wirken, die bereits im Vorschulalter einsetzen sollten. Sicher sei auch die positive Wirkung evaluierter sozialer Trainingsprogramme und Antiaggressivitätskurse. Zudem müsse, so Kannegießer, im Jugendstrafvollzug durch sozialtherapeutische Konzepte stärker auf eine künftige Sozial- und Legalbewährung hingearbeitet werden.
Der Gesellschaft hilft das auf lange Sicht mehr. Statt die Verantwortung für junge Gewalttäter an die Gerichte abzugeben, sollte sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.
Vermeintlich einfache Lösungen werden nicht den gewünschten Erfolg haben.
„Während Strafen häufig Kränkung, Hass, Trotz und Unsicherheit erzeugen und mehrheitlich kaum abschrecken,
bestehe das Ziel von Erziehung in einer positiven Hilfestellung zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, so Elisabeth Noeske aus dem Vorstand der Sektion Klinische Psychologie im BDP.
Strafe allein dagegen könne zwar zu vorübergehender Anpassung führen, nicht jedoch zur Selbstregulation im Prozess des Erwachsenenwerdens.
Sie bewirkt, so Noeske, keine wirklichen Verhaltensänderung und erschwert eher einen positiven Entwicklungsprozess, statt ihn zu fördern.
Eine Null-Toleranz-Politik verändere schließlich nicht die Gesellschaft, verhindere nicht ihren Zerfall und ignoriere vor allem die eigentlichen Ursachen für Fehlentwicklungen wie Armut, mangelnde Bildung und Aussonderung unter einer größer werdenden Zahl von Jugendlichen.
Nötig sei stattdessen Konfliktbearbeitung durch einfühlende, gleichzeitig Grenzen setzende Beziehungsarbeit. Jugendliche sollten Chancen erhalten, sich in der Gesellschaft und bei der Bearbeitung ihrer Konflikten aktiv zu erfahren.
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen
Christa Schaffmann, Pressesprecherin
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